Baugesetze
formen
Alain Griffel
Professor der Jurisprudenz mit Schwerpunkt Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht an der Universität Zürich
«Letztendlich ist die Wahl des rechtlichen Instruments zweitrangig. Vielmehr muss man wissen, was man überhaupt erreichen möchte.»
Herr Griffel, wer macht überhaupt Baugesetze?
Und ein solches Konzept verlangt in der Baugesetzgebung natürlich nach einem planerischen und architektonischen Fachwissen. Dieses muss vollumfänglich einfliessen. Wer, wenn nicht Fachpersonen wie Architekten, soll und kann Inputs liefern? Schlussendlich wird es meist ein Jurist sein, der das ganze rechtlich formuliert. Dies muss jedoch zwingend in engem Wechselspiel mit weiteren Fachleuten geschehen. Juristen sollten ja nicht vorgeben, wie beispielsweise ein Dach auszusehen hat. Dieses sorgfältige Ausarbeiten von Gesetzen findet heute leider praktisch nicht mehr statt. Das Gewurstel geht schon von Anfang an los. Man macht mal etwas und schaut dann, was dabei herauskommt, um es dann gegebenenfalls wieder zu ändern. Darunter leiden sowohl die Qualität als auch die Rechtssicherheit.
In Zukunft soll im Bestand gebaut werden und nicht mehr auf der grünen Wiese. Brauchen wir neue rechtliche Instrumente?
Vollzugsdefizite in Kanton und Gemeinden sind ein weiteres Problem. Die Vollzugsstrukturen sind häufig zu schwach und zu unprofessionell besetzt. Jedes grössere, ja mittelgrosse Bauvorhaben ist heute aus rechtlicher Sicht bereits so komplex, dass die meisten Baubehörden schlichtweg überfordert sind. Dann kann die Baubehörde entweder für teures Geld einen Experten beiziehen oder ohne Fachpersonen «herumwursteln».
Die nötige Fachkenntnis hinsichtlich der Baugesetzgebung fehlt aber auch bei den Architekten. Während meiner Zeit beim Amt für Baubewilligungen der Stadt Zürich staunte ich immer wieder, wie wenig Architekten vom Baurecht verstehen. Teilweise waren schlichtweg keinerlei baurechtliche Kenntnisse vorhanden. Da ging man mit seinen Plänen zum Kreisarchitekten und liess sich zusammenstreichen, was noch ging. Später kam man zurück und es wurde erneut zusammengestrichen. Man kann doch nicht planen, wenn man die rechtlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen nicht kennt.
Sind Sie also der Meinung, dass die aktuellen Instrumentarien ausreichen, um eine qualitätsvolle Verdichtung gegen innen zu erreichen – vorausgesetzt, man kennt sie und kann sie auch einsetzen?
Führen Sondernutzungspläne nicht zu einem Inselurbanismus?
Eine Aufzonung von beispielsweise W3 auf W4 führt aber weder automatisch zu einer höheren Qualität noch wird der tatsächliche Kontext berücksichtigt. Wieso schafft man nicht ein neues Instrument, das vom konkreten Bestand ausgeht und mit dem spezifische Ziele definiert werden können?
Man kann sich durchaus die Frage stellen, inwiefern verfeinerte Instrumente integriert werden können, die sachgerechtere Lösungen erlauben. Das müsste man sich gut überlegen und kann nicht aus dem Stand beantwortet werden. Juristen wären auf planerischen, architektonischen Sachverstand angewiesen. Man müsste klären, wie weit der Spagat zwischen Sachgerechtigkeit und Einfachheit gehen kann. Wie steht es mit der Umsetzbarkeit? Wie mit der Voraussehbarkeit und der Rechtssicherheit?
Letztendlich ist die Wahl des rechtlichen Instruments aber zweitrangig. Vielmehr muss man wissen, was man überhaupt erreichen möchte. Und dazu braucht es zwingend das Fachwissen von Architekten und anderen Planern. Gegen innen verdichten und damit sogar einen Qualitätszuwachs generieren, ist eine genuin planerische Aufgabe, keine juristische.
Zudem bedarf es politischen Fingerspitzengefühls. Die Grundeigentümer und die Bevölkerung müssen ins Boot geholt werden. Es braucht Partizipation, eine offene Kommunikation und kein elitäres Gehabe. Erst wenn sich das Projekt verfestigt hat, kann eine BZO-Änderung vorgenommen werden. Vielleicht geht man dann über einen Sondernutzungsplan, vielleicht schafft man eine neue Zone mit spezifischen Ausrichtungen. Das ist gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger ist der Prozess davor.