Baugesetze
formen
Leon Beck, Michèle Favre und Patricia Kneubühler
Architekturstudenten der ETH Zürich
Architekturstudenten der ETH Zürich widmen sich juristischen und raumplanerischen Fragen. Drei Studenten untersuchen die aktuelle Rolle von Stadtbildkommissionen, zeigen Probleme und Chancen auf und diskutieren neue Ansätze.
Stadtbildkommissionen: Für eine neue Diskussion der Gesamtgestalt!
Die architektonische Qualität von Bauprojekten wird vielerorts in baurechtlich etablierten Gremien diskutiert. War früher in der Schweiz meist von Ästhetikkommissionen die Rede, so existieren heute viele unterschiedliche Bezeichnungen. Des Öfteren besitzen diese Gremien den Ruf, das Planen und Bauen wesentlich zu verlangsamen und komplizierter werden zu lassen. Sie nehmen in städtebaulichen Prozessen jedoch eine wichtige Rolle ein, auch wenn diese immer wieder hinterfragt und geschärft werden sollte.
Der heute gebräuchliche Überbegriff der Gestaltungsbeiräte mag auf den ersten Blick etwas allgemein klingen. Bei näherer Betrachtung beschreibt er die Rolle der Kommissionen aber vielleicht am besten. Denn das Wirkungsfeld der Stadtbildkommissionen kann im Prinzip ein sehr breit gefächertes sein und nach Annahme einer Arbeitsgemeinschaft des deutschen Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) neben Stadtgestalt, Image- und Standortmarketing eben auch ganz wesentlich die Bereiche der Kommunikation und Beteiligung tangieren (BBSR, Mehr Qualität durch Gestaltungsbeiräte, Bonn 2017, S. 14). So ist also auch Kommunikations- und Prozessgestaltung eine – wenn nicht sogar die wesentliche – Aufgabe der Kommissionen. Es stellt sich daher die Frage, ob die einmalige Beurteilung eines Baugesuches, die heute in der Schweiz meist gängige Praxis ist, diesem Ansatz gerecht wird, oder ob nicht eine Begleitung über den gesamten Projektierungsprozesses hinweg notwendig wäre. Dabei sollten die Kommissionen aber – auch bei Baugesuchen von Laien – ihre ausschliesslich beratende Funktion beibehalten.
Im Gegensatz zu den unterschiedlichen Bezeichnungen der Kommissionen ist die Grundlage, auf der ihre Empfehlungen basieren, oft sehr ähnlich. Sie verdichtet sich meist in den Termini der «hohen Qualität» und «guten Gesamtwirkung». Der Grad der Erfüllung wird dabei grösstenteils in Bezug auf die gelungene Eingliederung in den Bestand gemessen. Doch lässt die blosse Forderung nach Eingliederung nicht den individuellen Charakter eines Projekts ausser Acht? Wird dadurch nicht das Entstehen von im wahrsten Sinne des Wortes hervorragenden Bauten verhindert? Denn kann etwas, das sich eingliedern soll, sozusagen Teil des städtischen Hintergrundes werden soll, zugleich ein Monument sein und berechtigterweise auch den Vordergrund für sich beanspruchen?
Es ist eine Frage des Abwägens von städtebaulichen und architektonischen Qualitäten. Ein Abwägen der zwei seit jeher existierenden und einander von ihrem Wesen her konkurrierenden Definitionen von Schönheit. Einerseits Schönheit als Ausdruck eines Strebens nach Gleichheit und andererseits die Schönheit der Einzigartigkeit (Thomas Macho, Zeit Online, 2014). Diese beiden Seiten eines Projekts, die durchaus unterschiedliche Niveaus aufweisen können, in Einklang zu bringen bezeichnet auch Christoph Schläppi, Mitglied der Berner Stadtbildkommission, als fortwährende Herausforderung (C. Schläppi, persönliche Kommunikation, 28.11.2018).
Auch wenn die Vorgabe der «guten Gesamtwirkung» und der «Eingliederung von Bauten» festgeschriebene Begriffe sind, so sind sie doch sehr offen, was die Praxis im Vergleich zur theoretischen Definition überdeutlich zeigt. Und möglicherweise ist es gerade diese Unschärfe in den Begrifflichkeiten, die den Gestaltungsbeiräten heute grosse Handlungsspielräume eröffnet, deren Inanspruchnahme ihnen dann jedoch auch oft ein negatives Image verleiht.
Um diesem negativen Bild in der Öffentlichkeit entgegenzuwirken, ist es daher umso wichtiger, eine transparente Arbeitsweise der Stadtbildkommissionen zu garantieren und Prozesse öffentlich zu gestalten. Der wohl radikalste Versuch diesbezüglich wurde in Potsdam unternommen. Dort wurden Sitzungen von vornherein komplett öffentlich gestaltet. Dies hatte jedoch einen starken Rückgang der durch die Kommission beurteilten Projekte zur Folge, da gerade Investoren drastische Eingriffe in ihre Pläne zu einem sehr frühen Zeitpunkt befürchteten. Ein daraufhin etablierter erster nichtöffentlicher Sitzungsteil, in dem ein Konsens gefunden wird, mit dem man dann an die Öffentlichkeit tritt, hat sich jedoch als sehr zielführend erwiesen (vgl. BBSR, Mehr Qualität durch Gestaltungsbeiräte, Bonn 2017, S. 37 und Geschäftsordnung des Gestaltungsrats der Landeshauptstadt Potsdam vom 02.11.2016).
Auch die Verbindlichkeit der Entscheidungen der Gestaltungsbeiräte, die oft für Diskussionen sorgt und durch öffentlichere Verfahren auch nicht automatisch gerechtfertigt wäre, sollte grundsätzlich überdacht werden. Denn momentan existieren zwei Realitäten: Zum einen Kommissionen wie die in Bern oder Luzern, die nur Empfehlungen gegenüber der Baubewilligungsbehörde aussprechen können, und zum anderen beispielsweise die Basler Stadtbildkommission, der alle Projekte vorgelegt werden müssen und die verbindliche Entscheidungen fällen darf. Diese Verbindlichkeit scheint auf den ersten Blick dem Stadtbild dienlicher. Auf den zweiten Blick jedoch könnte einerseits die Sicherheit, sich – abgesehen von Rechtsmittelverfahren – nicht rechtfertigen und überzeugen zu müssen, zu einer gewissen Bequemlichkeit führen. Andererseits offenbart sich ein Konflikt mit vielen weiteren Normen und Vorschriften. Diese erschweren die Arbeit der Architekten heute oft und müssen bei verbindlichen Entscheidungen zwangsläufig in die Überlegungen mit einbezogen werden, um das Entstehen rechtlich unlösbarer Konflikte zu verhindern. Aufgrund dieser Interessenabwägungen kann die Kommission dann nicht mehr so radikal im Auftrag des Stadtbilds urteilen, wie es ihr Name suggeriert. Die Kommissionen hingegen, die nur Empfehlungen abgeben, müssen sich diesem Problem im Prinzip nicht stellen, da es schlussendlich Aufgabe der Bewilligungsbehörde ist, einzelne Aspekte gegeneinander abzuwägen. Dies gelingt in der Praxis jedoch bei weitem nicht immer, was auch diese Kommissionen zur Berücksichtigung aller Aspekte zwingt.
Gestaltungsbeiräte hätten also das Potential, wesentlich kritischer zu urteilen und die ihnen vorgelegten Projekte noch mehr zu schärfen. Dieses Potential können sie aufgrund mangelnder zur Diskussion stehender Gegenpositionen meist jedoch kaum ausleben. Sie fungieren nicht als ein Pol von vielen in einem grossen Spannungsfeld, sondern nehmen viel eher eine vermittelnde Funktion ein. Der kritische Diskurs, beispielsweise mit den Projektverfassern, bleibt aus. Damit stehen gerade heute Name und Aufgabe in einem drastischen Gegensatz. Es kommt unweigerlich die Frage auf, ob Gestaltungsbeiräte der ihnen ursprünglich zugrundeliegenden Idee wirklich gerecht werden können. Die Frage, die sich dann aber noch viel deutlicher stellt, ist jene, ob es nicht sogar differenziertere Kommissionen für unterschiedliche baubewilligungsrelevante Fragen geben sollte. Ob nicht Grenzwerte durch Richtwerte ersetzt werden sollten. Und ob nicht Probleme des Energie, Lärm- und Umweltschutzes in einem abgesteckten Rahmen ebenfalls diskursiv gelöst und die entsprechenden Positionen durch Personen vertreten statt durch Paragrafen festgelegt werden sollten. Denn ist nicht alles eine Frage der Relation?
Die Arbeit entstand im Seminar «Recht und Stadtraum» von Oliver Streiff.
Der heute gebräuchliche Überbegriff der Gestaltungsbeiräte mag auf den ersten Blick etwas allgemein klingen. Bei näherer Betrachtung beschreibt er die Rolle der Kommissionen aber vielleicht am besten. Denn das Wirkungsfeld der Stadtbildkommissionen kann im Prinzip ein sehr breit gefächertes sein und nach Annahme einer Arbeitsgemeinschaft des deutschen Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) neben Stadtgestalt, Image- und Standortmarketing eben auch ganz wesentlich die Bereiche der Kommunikation und Beteiligung tangieren (BBSR, Mehr Qualität durch Gestaltungsbeiräte, Bonn 2017, S. 14). So ist also auch Kommunikations- und Prozessgestaltung eine – wenn nicht sogar die wesentliche – Aufgabe der Kommissionen. Es stellt sich daher die Frage, ob die einmalige Beurteilung eines Baugesuches, die heute in der Schweiz meist gängige Praxis ist, diesem Ansatz gerecht wird, oder ob nicht eine Begleitung über den gesamten Projektierungsprozesses hinweg notwendig wäre. Dabei sollten die Kommissionen aber – auch bei Baugesuchen von Laien – ihre ausschliesslich beratende Funktion beibehalten.
Im Gegensatz zu den unterschiedlichen Bezeichnungen der Kommissionen ist die Grundlage, auf der ihre Empfehlungen basieren, oft sehr ähnlich. Sie verdichtet sich meist in den Termini der «hohen Qualität» und «guten Gesamtwirkung». Der Grad der Erfüllung wird dabei grösstenteils in Bezug auf die gelungene Eingliederung in den Bestand gemessen. Doch lässt die blosse Forderung nach Eingliederung nicht den individuellen Charakter eines Projekts ausser Acht? Wird dadurch nicht das Entstehen von im wahrsten Sinne des Wortes hervorragenden Bauten verhindert? Denn kann etwas, das sich eingliedern soll, sozusagen Teil des städtischen Hintergrundes werden soll, zugleich ein Monument sein und berechtigterweise auch den Vordergrund für sich beanspruchen?
Es ist eine Frage des Abwägens von städtebaulichen und architektonischen Qualitäten. Ein Abwägen der zwei seit jeher existierenden und einander von ihrem Wesen her konkurrierenden Definitionen von Schönheit. Einerseits Schönheit als Ausdruck eines Strebens nach Gleichheit und andererseits die Schönheit der Einzigartigkeit (Thomas Macho, Zeit Online, 2014). Diese beiden Seiten eines Projekts, die durchaus unterschiedliche Niveaus aufweisen können, in Einklang zu bringen bezeichnet auch Christoph Schläppi, Mitglied der Berner Stadtbildkommission, als fortwährende Herausforderung (C. Schläppi, persönliche Kommunikation, 28.11.2018).
Auch wenn die Vorgabe der «guten Gesamtwirkung» und der «Eingliederung von Bauten» festgeschriebene Begriffe sind, so sind sie doch sehr offen, was die Praxis im Vergleich zur theoretischen Definition überdeutlich zeigt. Und möglicherweise ist es gerade diese Unschärfe in den Begrifflichkeiten, die den Gestaltungsbeiräten heute grosse Handlungsspielräume eröffnet, deren Inanspruchnahme ihnen dann jedoch auch oft ein negatives Image verleiht.
Um diesem negativen Bild in der Öffentlichkeit entgegenzuwirken, ist es daher umso wichtiger, eine transparente Arbeitsweise der Stadtbildkommissionen zu garantieren und Prozesse öffentlich zu gestalten. Der wohl radikalste Versuch diesbezüglich wurde in Potsdam unternommen. Dort wurden Sitzungen von vornherein komplett öffentlich gestaltet. Dies hatte jedoch einen starken Rückgang der durch die Kommission beurteilten Projekte zur Folge, da gerade Investoren drastische Eingriffe in ihre Pläne zu einem sehr frühen Zeitpunkt befürchteten. Ein daraufhin etablierter erster nichtöffentlicher Sitzungsteil, in dem ein Konsens gefunden wird, mit dem man dann an die Öffentlichkeit tritt, hat sich jedoch als sehr zielführend erwiesen (vgl. BBSR, Mehr Qualität durch Gestaltungsbeiräte, Bonn 2017, S. 37 und Geschäftsordnung des Gestaltungsrats der Landeshauptstadt Potsdam vom 02.11.2016).
Auch die Verbindlichkeit der Entscheidungen der Gestaltungsbeiräte, die oft für Diskussionen sorgt und durch öffentlichere Verfahren auch nicht automatisch gerechtfertigt wäre, sollte grundsätzlich überdacht werden. Denn momentan existieren zwei Realitäten: Zum einen Kommissionen wie die in Bern oder Luzern, die nur Empfehlungen gegenüber der Baubewilligungsbehörde aussprechen können, und zum anderen beispielsweise die Basler Stadtbildkommission, der alle Projekte vorgelegt werden müssen und die verbindliche Entscheidungen fällen darf. Diese Verbindlichkeit scheint auf den ersten Blick dem Stadtbild dienlicher. Auf den zweiten Blick jedoch könnte einerseits die Sicherheit, sich – abgesehen von Rechtsmittelverfahren – nicht rechtfertigen und überzeugen zu müssen, zu einer gewissen Bequemlichkeit führen. Andererseits offenbart sich ein Konflikt mit vielen weiteren Normen und Vorschriften. Diese erschweren die Arbeit der Architekten heute oft und müssen bei verbindlichen Entscheidungen zwangsläufig in die Überlegungen mit einbezogen werden, um das Entstehen rechtlich unlösbarer Konflikte zu verhindern. Aufgrund dieser Interessenabwägungen kann die Kommission dann nicht mehr so radikal im Auftrag des Stadtbilds urteilen, wie es ihr Name suggeriert. Die Kommissionen hingegen, die nur Empfehlungen abgeben, müssen sich diesem Problem im Prinzip nicht stellen, da es schlussendlich Aufgabe der Bewilligungsbehörde ist, einzelne Aspekte gegeneinander abzuwägen. Dies gelingt in der Praxis jedoch bei weitem nicht immer, was auch diese Kommissionen zur Berücksichtigung aller Aspekte zwingt.
Gestaltungsbeiräte hätten also das Potential, wesentlich kritischer zu urteilen und die ihnen vorgelegten Projekte noch mehr zu schärfen. Dieses Potential können sie aufgrund mangelnder zur Diskussion stehender Gegenpositionen meist jedoch kaum ausleben. Sie fungieren nicht als ein Pol von vielen in einem grossen Spannungsfeld, sondern nehmen viel eher eine vermittelnde Funktion ein. Der kritische Diskurs, beispielsweise mit den Projektverfassern, bleibt aus. Damit stehen gerade heute Name und Aufgabe in einem drastischen Gegensatz. Es kommt unweigerlich die Frage auf, ob Gestaltungsbeiräte der ihnen ursprünglich zugrundeliegenden Idee wirklich gerecht werden können. Die Frage, die sich dann aber noch viel deutlicher stellt, ist jene, ob es nicht sogar differenziertere Kommissionen für unterschiedliche baubewilligungsrelevante Fragen geben sollte. Ob nicht Grenzwerte durch Richtwerte ersetzt werden sollten. Und ob nicht Probleme des Energie, Lärm- und Umweltschutzes in einem abgesteckten Rahmen ebenfalls diskursiv gelöst und die entsprechenden Positionen durch Personen vertreten statt durch Paragrafen festgelegt werden sollten. Denn ist nicht alles eine Frage der Relation?
Die Arbeit entstand im Seminar «Recht und Stadtraum» von Oliver Streiff.